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Familien entwerfen

Hast du deine*n Partner*in im „echten Leben“ kennengelernt oder auf einer Plattform im Netz gewählt?

Familien beruhen auf Verwandtschaftsbeziehungen. Früher erkannte man sie daran, dass sie gemeinsam unter einem Dach lebten. Das war der Haushalt. Die alte Familie umfasste die Wahlverwandtschaft der Eltern und die biologische Verwandtschaft der Abstammung. Sie verband ihre Mitglieder untereinander. Das Familienhaus war der Anschluss an die außen liegenden Netzwerke des Rechts, des Politischen, des Wirtschaftens, der Kultur und der Religion.

Die neue Freiheit der vernetzten Familie ist „bodenlos“. Datenströme sorgen jetzt für die Verbindungen. Der Algorithmus der technischen Netzwerke bietet die Möglichkeit für ein neues „wir“. Er kennt mich besser als ich mich selbst kenne, für mich aber bleibt der Algorithmus ein Rätsel. Er zeigt mir dein Antlitz. Es ist unsere gemeinsame Wahl, in welchem Gegenüber wir uns finden.

Bist du dir im Netz schon als digitale*r Doppelgänger*in begegnet?

Familien und Lebensformen

Zwischen Si(s)si 4.0 und sozialer Unfruchtbarkeit

Wer kennt sie nicht, Österreichs schrecklich nette Familie? Richtig, von Rudolf II. mit seinen kunsthistorischen Nachklängen und Prager Episoden bis hin zu den starken Frauen Maria Theresia und einer mit Adjektiven von unserer Welt nicht mehr zu beschreibenden Sis(s)i. Das Haus Habsburg steht für Weltruhm, Österreich und besonders Wien als Epizentren globaler Entwicklungen und ein Reich, in dem angeblich die Sonne nicht untergeht. Über Jahrhunderte hat eine Großfamilie europäische und amerikanische Geschichte geschrieben. Wer genauer hinsieht, wird die eine oder andere markante Physiologie besonders in den Gesichtern ihrer männlichen Sprosse erkennen.

Wer noch genauer hinschaut erkennt, dass sich ihr familiärer Erfolg nicht nur in Blutsverwandtschaft, sondern in politisch-strategischen Wahlverwandtschaften offenbart. Heirat als Mittel zur Machterhaltung und -expansion wurde in katholischer Lebensform zelebriert. Auch wir haben heute die Wahl, vor allem, welchen Lebensstil wir bevorzugen. Die Partner*inn(en)wahl stellt das wesentliche Element familiärer Beziehungen und der Familienplanung bis hin zum Nachwuchs dar. Doch selbst die Kopplung von Familie und Fortpflanzung stellt nur einen Lebensweg neben anderen dar. Neuerdings sprechen wir von „Absolut Beginners“ und meinen damit eine steigende Zahl beziehungsloser, unerfahrener Menschen in der Vereinzelung digitaler Entwürfe.

Früher standen hierfür Begriffe wie Jungfer oder Hagestolz. Mit 16 unter der Haube, mit 17 die ersten Kinder, mit Mitte 30 Oma? Kann sein, muss aber nicht. Klassische Familien- und Rollenbilder haben sich gewandelt. Patchworkfamilien und unzählige alternative Entwürfe sind kein Tabu mehr. Entsprechend äußert sich der Bedarf an Wohnraum. Die Anzahl der Singlehaushalte steigt kontinuierlich. Wer sich das Privileg städtischer Vereinzelung nicht leisten kann, sucht in einer WG die Ersatzfamilie, bis dann für den folgenden Lebensabschnitt Partner*in(nen) gefunden sind. Anything goes? Doch auch die Partner*innenverteilung ist nicht mehr selbstverständlich. Soziale Selektion, Einsamkeit und psychische Unfruchtbarkeit schlagen erbarmungslos zu.

In sozialen Netzwerken sammeln sich verschiedene Gruppen, auch die, die durchs Raster fallen. Wer mit den Pornolanzen des Darknet nicht mithalten kann, die aktuellen Stylingtrends auf YouTube verpasst oder einfach bei den vielen Schönheitsidealen nicht mehr durchblickt, bleibt besser zu Hause. Familienstammbäume können auch ganz stressfrei von Computern errechnet werden. Bei der Pferde- oder Hundezucht wird das eh schon lange so gemacht …